In ihrem neuen Solostück „Velvet“ verwandelt sich Claire Vivianne Sobottke zu Musik von Tian Rotteveel von einer Frau zu einem Tier. Eingebettet in ein Bühnenbild aus Erde, Pflanzen und einem selbstspielenden Schlagzeug, legt sie die Urkräfte weiblicher Sexualität frei.
Interview: Beatrix Joyce
Welche Rolle spielen weiblicher Archetypen in deinem Stück?
Ich verstehe den weiblichen Körper als einen Raum, in dem sich viele Dinge manifestieren. Unzählige Erinnerungen, Fantasien und Projektionen – sowohl schreckliche als auch lustige – sind im weiblichen Körper gespeichert. Ich interessiere mich für Archetypen wie beispielsweise die Höhlenfrau, die Hexe oder Frauen, die halb Mensch und halb Tier sind und untersuche sie, um tiefere psychologische Konstrukte sichtbar werden zu lassen. Zu diesen Konstrukten gehören auch Obsessionen und komische Ideen bezüglich meines eigenen Körpers. Sicher haben solche Dinge ganz unterschiedliche Gründe, und doch werden sie letztendlich alle zu einem Teil von mir.
In welcher Verbindung steht dein künstlerischer Ausdruck weiblicher Sexualität zu Natur?
Für mich gleicht das Bühnenbild einer Art dekonstruierter Natur. Genau wie ein Garten ist es von Menschen angelegt worden und drückt die Sehnsucht danach aus, in eine Natur einzutauchen, die wir gleichzeitig kontrollieren. Mit der weiblichen Sexualität ist es ähnlich, da sie auch immer gesellschaftlich kontrolliert und gezähmt wurde. Um sie herum existiert so viel Angst und sogar wir, als Frauen, wissen viel gar nicht. So habe ich zum Beispiel erst im Arbeitsprozess zu diesem Stück erkannt, dass ich keinen freien Zugang zu meinen eigenen erotischen Fantasien habe, weil sie so von den Dingen dominiert werden, die man mir erzählt hat. Für mich ist der Begriff der Wildnis deshalb sehr wichtig: Ich verstehe ihn als Sinnbild für ein unbekanntes Territorium, in dem keine menschlichen Regeln gelten und in dem nicht-menschliche Kräfte und Wesen agieren. Und so ein Territorium kann man vielleicht nicht nur draußen in der Natur finden – sondern auch in unserer gedanklichen Welt.